Noch vor wenigen Tagen war die Obere Donau ein beschaulicher Fluss. Doch der Regen und die Schneeschmelze haben ihr innerhalb kurzer Zeit ein völlig anderes Gesicht verliehen. Die reißenden Wassermassen sind ein krasser Kontrast zur Donau, wie sie in großen Teilen des Jahres aussieht. Im Sommer und Herbst betrug der Wasserstand in Beuron meist nur wenige Dutzend Zentimeter.
Hochwasser mit Überflutung der Uferbereiche gehört zu einem natürlichen Flusssystem dazu. Ursprünglich gab es flussbegleitend große Auegebiete, die durch periodische Überflutungen geprägt sind. Die Auen speichern Wasser und geben es verlangsamt wieder ab, wodurch Hochwasserwellen gebremst werden. Doch das Wirken des Menschen hat Flüsse stark verändert. Nicht nur wurde die Fließgeschwindigkeit durch Flussbegradigungen und Einfassungen erhöht. In vielen Bereichen sind Auen als Übergangsbereich zwischen dem Lebensraum Fluss und dem angrenzenden Land verschwunden. Stattdessen prägen intensive landwirtschaftliche Nutzung oder gar versiegelte Flächen den Uferbereich. In diesen Fällen kann sich Hochwasser für uns Menschen dramatisch auswirken.
Auch für Tiere und Pflanzen, die in und an der Donau leben, sind die extremen Wasserstände eine Herausforderung. Generell sind die Lebewesen in Fließgewässern auf sich ändernde Lebensbedingungen eingestellt. Die größte Vielfalt an Leben findet sich im Fluss nicht im freien Wasser, sondern am Gewässerboden. Dort leben Wasserorganismen wie Schnecken, Egel und Larvenstadien von Köcherfliegen, Eintagsfliegen und Libellen. Diese kleinen Organismen haben oft einen flach ausgebildeten Körper und teilweise Saugnäpfe oder Krallen, um sich an Pflanzen und Steinen festzuklammern, wo die Strömung geringer ist. Trotzdem wird ein Teil der Tiere, gerade bei starker Strömung, abgedriftet. Die Natur hat sich hierfür eine Strategie überlegt. Wanderbewegungen dieser Tiere sind meist flussaufwärts gerichtet. Bei denjenigen, die nur ihr Larvenstadium im Wasser verbringen, findet nach dem Schlupf als erwachsenes Tier oft ein flussaufwärts gerichteter „Kompensationsflug“ statt. Erst dort werden Eier abgelegt. So wird verhindert, dass sich der Lebensbereich immer weiter flussabwärts verschiebt, wo ganz andere Bedingungen herrschen.
Auch andere Tiere sind von großen Wassermengen beeinflusst. So haben beispielsweise Biber ihre Bauten im Uferbereich angelegt. Bei hohem Wasserstand steht der Wohnkessel ggf. unter Wasser. Vor allem Hochwasser im Frühjahr sind für viele Tiere, die dann ihren Nachwuchs aufziehen, problematisch. Nester, Eier und Jungtiere sind den Fluten oft ausgeliefert, so dass der Nachwuchs von Eisvogel, Biber und Wiesenbrütern teilweise nicht überlebt. Die Populationen können sich in der Folgezeit aber in der Regel wieder gut erholen. Tiere wie Mäuse, Hasen und Füchse, die auf den ansonsten trockenen Bereichen leben, können normalerweise rechtzeitig vor dem Wasser fliehen.
Für viele Wasservögel und Vögel der Feuchtwiesen kommen die Wassermassen gar nicht ungelegen. Durch die Überflutungen werden Wiesenbereiche überschwemmt, die dann als passender Aufenthaltsort fungieren. Hochwasser sorgt immer auch dafür, dass neue Strukturen in und am Gewässer entstehen und somit neuer Lebensraum geschaffen wird