Winteraktive Kletterkünstler

Gämse im Donautal

Was ist das denn? Ein großes Reh? Eine ausgebüchste Ziege? Manch einer traut seinen Augen kaum, wenn er zum ersten Mal im Donautal eine Gams entdeckt. Aber die hakenförmig nach hinten gebogenen Hörner, die markante Kopfzeichnung mit den dunklen Wangenstreifen und der kräftige Körperbau sind eindeutige Zeichen.

Bei den Gämsen tragen sowohl die männlichen als auch die weiblichen Tiere Hörner. Diese werden auch als „Krucken“ bezeichnet und können bis zu 25 cm lang werden. An ihnen lässt sich auch das Alter der Tiere erkennen: Jahr für Jahr wird ein neuer Jahrring gebildet, so dass die Krucken stetig wachsen. Im Gegensatz zu Rehböcken und Hirschen werfen Gämsen die Hörner nicht ab.

Gämsen leben in Gruppen, die meist aus weiblichen Tieren und dem Nachwuchs bestehen. Je nach Gebiet und Vorkommen kann die Rudelgröße einige Dutzend Tiere betragen. Im Donautal sind die Rudelgrößen aber deutlich geringer. Nur zur Paarungszeit von Oktober bis Dezember schließen sich die Böcke diesen Rudeln an. Der Nachwuchs erblickt im Mai das Licht der Welt, meist wird dabei ein Jungtier geboren.

Gerade im Winter lassen sich die tagaktiven Tiere recht häufig entdecken. Mit Vorliebe halten sie sich an den Steilhängen des Donautals auf – besonders dort, wo bei den kalten Temperaturen die Sonne ein wenig Wärme verspricht. Gämsen sind wahre Kletterkünstler. Kein Hang ist ihnen zu steil, kein Felsvorsprung zu schmal, um dort Halt zu finden. Vor allem, wenn Gefahr droht, ziehen sich die Tiere in steile Felspartien zurück, wo sie sich sicher fühlen. Dabei können Gämse lautstark auf sich aufmerksam machen. Droht Gefahr oder beunruhigt sie etwas, stoßen sie einen lang gezogenen Pfiff aus, um Alarm zu schlagen.

Viele von uns würden Gämse eher in Hochgebirgsregionen vermuten, doch tatsächlich sind diese nicht nur in alpinen Bereichen unterwegs. In frühgeschichtlicher Zeit waren Gämsen auch in unseren Mittelgebirgen weit verbreitet oder dort zumindest auf Durchzug. Das heutige Vorkommen in Mittelgebirgen geht allerdings meist auf Auswilderungen durch den Menschen zurück. So wurden bei Balingen in der Mitte des 20. Jahrhunderts Gämse ausgesetzt. Wahrscheinlich durch Abwanderung einiger dieser Tiere konnte im Donautal eine eigenständige Gamskolonie entstehen.

Gämse fressen allerlei Grünzeug wie Gräser, Kräuter, Knospen, Moose. Das ist nicht unproblematisch. An den Felsen im Donautal kommt eine besonders an die trocken-heißen Lebensbedingungen angepasste Felsvegetation vor. Viele dieser Pflanzen können nur an solchen Extremstandorten wachsen. Sie sind oft in ihrem Bestand gefährdet und stehen daher unter Schutz. Für die Gämsen sind gerade diese Felspflanzen allerdings oft ein besonderer Leckerbissen. Zusätzlich kann durch den Kot der Gämse der ursprünglich nährstoffarme Felsstandort gedüngt werden, wodurch sich die Artenzusammensetzung ändern kann. Damit die Zahl der Gämse nicht zu groß wird, werden die Tiere daher bejagt.