Nicht nur für die Lebensmittelproduktion

Äcker

MohnfeldQuelle: Haus der Natur Beuron

Wenn man an Ackerland denkt, hat man wohl zunächst deren Bedeutung für die Lebensmittelproduktion im Sinn und nicht deren Funktion als Lebensraum. Und natürlich handelt es sich bei Äckern um stark vom Menschen geprägte Flächen. Denn ohne menschlichen Einfluss würde sich hier in Deutschland fast überall eine geschlossene Walddecke finden.

Doch auch in diesem Lebensraum hat sich neben den Nutzpflanzen eine beeindruckende Vielfalt entwickelt. So gibt es bestimmte Pflanzen, die ihre Lebensweise ganz speziell an die bewirtschafteten Äcker angepasst haben und eine enge Bindung an den Lebensraum Acker aufweisen: die so genannten Ackerwildkräuter oder - weniger freundlich - Ackerunkräuter.

Für die Landwirte sind die Ackerwildkräuter Konkurrenten zu den Nutzpflanzen, sowohl was Platz als auch Nährstoffe und Wasser betrifft. Aus wirtschaftlicher Sicht können Ackerwildkräuter also zu Ertragseinbußen führen. Ökologisch gesehen sind die Ackerwildkräuter aber Lebensbasis für viele Tierarten, insbesondere für blütenbesuchende Insekten.

Die Ackerwildkräuter können auch dazu beitragen, das Ökosystem Acker stabil zu halten. Denn je monotoner und artenärmer ein Acker ist, desto wahrscheinlicher wird es, dass sich eine Schädlingsart stark vermehren kann, da sich nicht ausreichend Nischen für natürlichen Feinde, sogenannte Nützlinge, auf der Fläche befinden.

Ackerwildkräuter sind darauf angewiesen, dass eine Bodenbearbeitung stattfindet, denn in Wiesen oder auf Brachflächen würden sie von konkurrenzstärkeren Pflanzen verdrängt werden. Typisch für Ackerwildkräuter ist, dass sie große Mengen an Samen produzieren und sich schnell vermehren können. Dies ist nötig, um auf dem sich schnell wandelnden Acker Fuß zu fassen, bevor andere Pflanzen einen verdrängen.
Bekannte Beispiele solcher Ackerwildkräuter sind Klatschmohn, Kornblume, Kornrade und Ackerstiefmütterchen. Viele von ihnen sind echte „Hingucker“ in den ansonsten monotonen Ackerlandschaften und werden heute sogar in unseren Gärten eingesetzt.

Der Ursprung des Ackerbaus begann vor etwa 10.000 Jahren in Kleinasien und im östlichen Mittelmeerraum. Nach und nach breitete sich die Ackerwirtschaft auch in andere Regionen aus. Zu uns nach Mitteleuropa kamen die ersten Kulturpflanzen und ihre entsprechende Begleitflora vor rund 5000 Jahren. Zur Römerzeit kamen viele weitere Arten hinzu.

Seit den Ursprüngen des Ackerbaus hat sich die Bewirtschaftungsweise im Laufe der Zeit stark verändert. Bekannt ist die Dreifelderwirtschaft, bei der die Äcker im 3 Jahresturnus wechselnd mit Sommer- und Wintergetreide sowie als Brachfläche genutzt wurden.

War die Bewirtschaftung lange Zeit sehr extensiv, änderte sich dies vor allem im 19. und 20. Jahrhundert durch neue technische Möglichkeiten. Verbesserte landwirtschaftliche Maschinen, die Erfindung von Dünger und Pestiziden sowie Fortschritte in der Pflanzenzüchtung ermöglichten wesentlich höhere Erträge, was eine intensive Bewirtschaftung der Äcker zur Folge hatte. In den vergangenen Jahren hat neben dem Anbau von Nahrungsmitteln auch der Anbau von Energiepflanzen wie Mais auf Äckern zunehmend an Bedeutung gewonnen.


Aber nicht nur die Vielfalt der Ackerwildkräuter sondern auch die Vielfalt der Kulturpflanzen an sich ist stark zurückgegangen. In den letzten 100 Jahren hat Europa 75% seiner Kulturpflanzensorten verloren. Im Lauf der Geschichte sind insgesamt etwa 7000 verschiedene Pflanzenarten kultiviert worden, wovon heute nur noch 120 Arten in der Landwirtschaft eine Rolle spielen. Allein 30 Arten liefern global betrachtet 95% unserer Lebensmittel.
Durch die Züchtung von ertragsstarken Hochleistungssorten sind viele alte, an lokale Standortsbedingungen angepasste Sorten verschwunden. Zwar liefern solche Sorten oft weniger Ertrag, haben aber ganz bedeutende Eigenschaften wie Robustheit, Resistenz gegen Kälte und vor allem gegen Krankheiten.

Dabei sichert eine hohe Vielfalt an Kulturpflanzensorten auch unsere künftige Lebensgrundlage. Die Konzentration auf wenige Hochleistungsarten und –sorten birgt die Gefahr, dass bei künftigen Veränderungen der Umweltbedingungen oder bei Auftreten von Krankheiten mit hohen Ernteverlusten gerechnet werden muss und dass möglicherweise kein geeignetes genetisches Material zur Züchtung von angepassten oder resistenten Sorten vorhanden ist.

Es lohnt sich also schon allein zur Absicherung unserer Zukunft, die Vielfalt im Ackerbau (Agrobiodiversität) zu erhalten. Außerdem handelt es sich bei den gezüchteten Sorten um ein beeindruckendes Kulturgut, dessen Erhalt in unseren Händen liegt. Nutzen Sie also die Chance und geben Sie auch traditionellen Kulturpflanzen wie Emmer und Einkorn in Ihrer Küche eine Chance.


Die Artenvielfalt auf unseren Ackerflächen ist erheblich zurückgegangen. Ackerwildkräuter sind auf eine angepasste Bewirtschaftung von Feldern durch den Landwirt angewiesen. Durch den starken Einsatz von Pestiziden und Düngern, sowie eine schnelle Kulturfolge mit sehr dichter Einsaat sind heute viele Ackerwildkräuter chancenlos. Je intensiver die Äcker bewirtschaftet werden, desto geringer ist der Anteil an Ackerwildkräutern.

Etwa 30% der heimischen Ackerwildkräuter Deutschlands sind mittlerweile ausgestorben, weitere 30% gelten als gefährdet. Seit 1950 ist das Vorkommen von Ackerwildkräutern um 90% zurückgegangen!

Auch Tiere wie Insekten, Feldlerche und Feldhase, die sich in der extensiv genutzten Ackerlandschaft wohl fühlen, leiden unter der intensiven Bewirtschaftung mit Düngemitteln und Pestiziden. Forschern zufolge sind von den etwa 1200 Tierarten, die auf Äckern vorkommen, 90% stark zurückgegangen (z.B. Rebhuhn, Feldhamster). Viele Arten nutzen Äcker vor allem als Teillebensraum z.B. zur Nahrungssuche oder zu bestimmten Jahreszeiten für die Jungenaufzucht. Deswegen ist für diese auch eine strukturreiche, abwechslungsreiche Umgebung z.B. mit Hecken wichtig, in die sie sich zurückziehen können, wenn der Acker bearbeitet wird.


Zum Schutz der heute oft seltenen Ackerwildkräuter gibt es schon seit über 50 Jahren verschiedene Bemühungen. Seit den 80ern spielen dabei Ackerrandstreifen eine große Rolle. Dabei wird ein Randstreifen des Ackers weniger stark gedüngt und es werden keine Pestizide eingesetzt – hier können sich Ackerwildkräuter wieder erfolgreich ansiedeln.

Um das verlorengegangene Blühangebot für Insekten auszugleichen, werden vielerorts auch gezielt Blühstreifen in der Ackerlandschaft eingesät. Dabei ist es allerdings wichtig, dass die Saatgutmischungen einheimische Pflanzen enthalten. Es ist darauf zu achten, dass die Blühstreifen nicht anstatt der Ackerrandstreifen, sondern zusätzlich angelegt werden, um die Ackerwildkräuter nicht noch weiterem Konkurrenzdruck zu unterwerfen.

Neben Ackerrand- und Blühstreifen bieten auch Brachflächen gute Möglichkeiten, die intensiv genutzte Landschaft aufzulockern. Dabei handelt es sich um Äcker, die vorübergehend oder dauerhaft nicht mehr genutzt werden. Diese sind nicht nur Rückzugsort für viele Tiere und Pflanzen, sondern ermöglichen auch eine Regeneration des Bodens und der Bodenorganismen. Ackerflächen können der Sukzession überlassen werden, so dass Pflanzen aus der Umgebung einwandern oder mit einer Saatmischung eingesät werden.